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/ Haimo L. Handl

Wenn Sportler mit körperlichen Behinderungen im Wettkampf mit Sportlern ohne körperlichen Behinderungen gleichwertig an- und auftreten wollen, verschiebt sich für viele das Bild von Gleichwertigkeit: offensichtlich vermag der Behinderte nur aufgrund gewisser Prothesen und Hilfsmittel mitzumachen. Der Leistungsvergleich mit solchen, die ohne solche Hilfsmittel auskommen, wird fragwürdig.

Problematisiert wird dies auch durch die ideologischen und politischen Vorgaben. Die Behinderung wird nicht als Behinderung gesehen bzw. es wird behauptet, sie werde erst durch eine bestimmte Wahrnehmung der Gesellschaft zur Behinderung. Der Beinamputierte, der Querschnittgelähmte, der Armlose ist nicht per se behindert, sondern durch unsere Definition von Nichtbehinderung als Normalität. Aber auch die folgsamen politisch Korrekten können nicht umhin Unterschiede festzustellen.

Im Gegensatz zu den Bemühungen der Transhumanisten, die humanen, körperlichen Begrenzungen aufzuheben bzw. auszuweiten durch immer bessere Prothesen bzw. Körperersatzfunktionsmittel, im steten Ziel, dem erstrebten Zustand des ‘Posthumanen’ näher zu kommen, den schwachen, fehlbaren Menschen also zu überwinden, werden heute schärfste Kampagnen gegen und Verfolgungsjagden von Dumpingsündern unternommen, um den betrügerischen Leistungsvorteil durch Körpermanipulationen zu verhindern. Die Leistung des einen soll nicht durch Dumpingmittel des andern übervorteilt werden.

Weshalb nicht? Es ist wie in der Materialwirtschaft, wo im Bereich der Materialkunde geforscht wird, wie die positiven Eigenschaften bestimmter Materialien gesteigert werden können. Der Mensch ist ein Ding, aus Staub geboren, zu Staub werdend, und nur Mensch durch die göttliche Seeleneinhauchung. Sagen die Religiösen. Jedenfalls bedarf der Mensch seines Körpers, denn nur über den tritt er ins Leben und aus ihm. Der Mensch ist Material. Sagten die Faschisten und Nationalsozialisten. Viva la muerte! Der Mensch ist Kapital, human capital, sagen die Kapitalisten, sagt der allumfassende, alleinregierende Kapitalismus. Und Kapital muss arbeiten, dann bringt es Profit. Arbeit macht frei, sagen wir Freiheitsdurstigen, und wollen das Kapital arbeiten lassen.

Zwar kennen wir Psychologie und Psychiatrie, zeigen sich auch handfeste Auswirkungen bei gewissen seelischen Störungen, aber all das ist etwas verdeckt, etwas verschwommen und nebulös. Wirklich manifest ist das Körperliche. All jene, die an Burn Outs leiden, wissen um die Problematik der Wahrnehmung, der Definition und des Vergleichs: Dem einen wird das Bein vergipst oder er hat sonstige sichtbare, körperliche Veränderungen, deren Heilungsprozess direkter verfolgbar ist, nachzuweisen. Der andere verweist auf seine Psyche, die ihn beutelt oder eben nicht, und findet sich oft mit dem Vorwurf der Simulation, des Betrugs konfrontiert. Welche Prothesen könnte man einem seelisch Verkrüppelten verpassen? Psychopharmaka. Was noch oder was sonst?

Während also behinderte Sportler in den Wettkampf treten mit Nichtbehinderten, wird an ganz anderen Fronten so erfolgreich gearbeitet, dass der ‘Behinderte’ dank neuer Prothesen und Hilfsmittel vergleichsweise höhere Leistungen erfüllt. Soldaten, denen man Extremitäten ersetzte, laufen schneller, bewegen sich energieökonomischer oder vermögen längere Strapazen besser zu verkraften. In der transhumanen Orientierung wird die Verbindung von Mensch und Maschine in einer ganz neuen Qualität erzeugt.

Das wird in naher Zukunft unser Verständnis von Normalität und daraus abzuleitender Normen, verändern, ebenso unser Verständnis von Behinderung. Gelingt einmal die Verbindung von körperlicher Manipulation mittels Chips, Organerweiterungen und Spezialprothesen mit der systematischen, kontrollierbaren seelischen Manipulation, ist nicht nur die Brave New World nicht mehr nur Romanstoff, sondern auch die Vorherrschaft gesichert, wofür jetzt schon der immens teure Ausbau der ‘Drohnen’- Waffensysteme die Ausgangslage herstellt.

In der Posthumanität braucht es nicht mehr die Leitwerte der Humanität. Das kommt allen Regimes, denen die Menschenrechte hinderlich sind, entgegen. So, wie die Moderne zur Postmoderne wucherte, so eröffnet sich die neue Welt dem Transhumanen, der Posthumanität, wo endlich das neue Maschinendenken, die Neue Maschine, die neue ‘Sachlichkeit’ regieren und der vernetzte Mensch als aufgewerteter Maschinenteil seine Aufgabe erfüllt.