Kriegsende

/ Haimo L. Handl

Sprechen wir vom Kriegsende, erinnern sich die meisten an den 2. Weltkrieg. Einige wissen, dass er am 1. September 1939 begann und am 2. September 1945 endete. An den 1. Weltkrieg erinnern sich wenige; von ihm wissen viele nur Vages. Es hat kein allgemeines und vertieftes Lernen aus der Geschichte stattgefunden. Nach dem Krieg scheint vor dem Krieg.

Die Kenntnisse um den 2. Weltkrieg sind höchst einseitig. Sie sind das Resultat der von den Siegern geschriebenen Geschichte, mit allen propagandistischen Versatzstücken, ideologisch bedingten Schlagseiten und Tabus. Dabei geht es überhaupt nicht um eine Minderung oder Bagatellisierung der Nazigräuel, sondern um historische Fakten, die nun mal nicht eindimensional oder simpel sind. Die Geschichte und Vorgeschichte beider Weltkriege sind höchst komplex. Eine ‘Aufarbeitung’ hätte sich bemühen müssen, den Boden der Verkürzung, der opportunen, biased Deutung zu verlassen. Das ist aber nach wie vor tabuisiert. Es scheint, dass die Reduktion auf einen Haupttäter immer noch gute Dienste leistet; die Querelen in Europa zu Zeiten der Krisen greifen nicht zufällig immer wieder auf Nazideutschland zurück, versuchen die ewig währende Schuld einzufordern. Solches Lerngut und solches Verhalten ist äußerst prekär und gefährlich. Denn je einseitiger der Fokus, desto bornierter die Sicht, desto leichter das Ausblenden anderer Faktoren.

Gerade die kriegerische Gegenwart lehrt uns aber, dass mit der Niederringung des Nazismus, dem Ende des 2. Weltkriegs, der Krieg als Mittel der Politik nicht aufhörte zu existieren. Krieg ist in aller Munde. Ein Blick in die Tabellen der Kriege seit 1945 erschreckt. Aber dieser Blick wird erschwert durch die instrumentalisierte Fokussierung auf Hitlerdeutschland, den Nazismus.

Aus dem ‘Nie wieder Krieg’ wurde heute die rechtschaffene, korrekte Devise ‘Krieg’ als humane Intervention, als Abwehr von Gefahren, als Mittel der Etablierung von Freiheit, Würde und Demokratie, Krieg als Realpolitik. Krieg als Ressourcenkontrolle oder der hegemonialen Bestrebungen, wird nur dem ‘Feind’ oder den ‘Feinden’ (Schurkenstaaten) negativ zugeschrieben. Die Rüstungsindustrie wächst und wächst und erhöht enorm ihre Gewinne. Doch die Waffen bleiben nicht in den Depots…

Terror ist zum legitimen Werkzeug demokratischer Staaten geworden. Präventivkriege werden von Israel, der ‘einzigen Demokratie in Nahost’, als rechtens hingestellt, ‘gezieltes Töten’ ist anerkannte Praxis. Nur die Selbstmordattentate fundamentalistischer Islamisten werden einhellig im Westen verurteilt. Die Terrorakte bzw. der Staatsterror der Demokratien der ‘freien Welt’ werden als ‘vernünftig’ und gerechtfertigt gesehen.

Sieht so das Lernergebnis aus der Geschichte aus?

Wenn heute Kriegsgegner als innere Feinde der vorgeblich freiheitlichen Gesellschaft denunziert werden, kann man ablesen, wie tief und breit die Umkehrung, die Pervertierung unserer Gesellschaften sich vollzogen hat. Wenn der republikanische Präsidentschaftskandidat, ein Mormone, stolz dem Elektorat verkündet, er werde die amerikanische Armee wieder unbesiegbar machen, bringt ihm das wahrscheinlich Stimmen von sich ohnmächtig fühlenden Bürgern, aber beweist die Gefährlichkeit des bornierten Staates, der, koste es was es wolle, seine hegemoniale Stellung ausbauen und stärken will. Mit Krieg. Mit Siegen.

Je stärker aber die USA und seine Verbündeten, allen voran Israel, auf Krieg setzen, desto extremer wird die Kriegs- und Gewaltorientierung in den anderen Machtzentren einerseits, und den sich ohnmächtig Wähnenden andererseits, gestärkt. Die Programmierung ist auf Krieg geschaltet, trotz allem propagandistischen Friedensgelabber.