Sportiver Geist

/ Haimo L. Handl

Nach den Olympischen Spielen in London herrschte in Österreich Niedergeschlagenheit. Schon während der Spiele, als abzusehen war, dass keine Medaillen ‘für Österreich’ erreichbar sein werden, meinte der Sportminister, es gehe nicht an, sich nur mit dem Dabeisein schon zufriedenzugeben. Klar, die investierten Millionen müssen sich in Medaillen aufwiegen, sonst wird das Geschäft nicht komplett, sondern ein Verlust. Ein Geschäftsverlust, da es weniger oder nicht um Sport geht, sondern um Imagetransfer, Werbung, und die Legitimation für weitere Förderungen des Spitzensports.

Unberücksichtigt der automatischen Annahme bzw. Forderung, sportliche Leistungen seien der Nation zuzuschreiben, nur weil sie finanziert, ein eigentlich obsoletes Rückbleibsel der alten, verkorksten Nationalkulturpolitik, die deshalb nicht besser wird, weil alle ihr folgen, erstaunt die gängige Logik dennoch.

Mehr noch darf oder muss man sich erstaunt zeigen über die Antworten der verantwortlichen Funktionäre der österreichischen Sportverbände. Die Schule, die fehlende Sporterziehung ist schuld. Wir haben zu viele Turnstunden im Lehrplan gestrichen. Als ob es einen direkten Zusammenhang mit dem Schulsport und dem Spitzensport gäbe. (Dass eine hohe Anzahl von Schülern geringe Lesekompetenz hat, dass den meisten die Streichung der musischen Fächer keine Probleme bereitet, wird hingenommen oder sogar begrüßt. Eine Kurzsichtigkeit sondergleichen!)

Aber es haben nicht Jugendliche oder Schüler versagt, sondern Spitzensportler, wenn wir schon von Versagen reden. Und die haben professionell trainiert, sind professionell ‘betreut’, haben Coaches, Berater und Trainer. Aber nein, die Schule ist schuld.

Dieses vordergründige Ablenkmanöver wird von vielen sogar angenommen. Das Feindbild Schule/Lehrer taugt allemal um Dampf abzulassen und von eigenem Unvermögen abzulenken.

Auch die Frage, wie wichtig und wertvoll denn Spitzensport ist, für wen, auf wessen Kosten, wird nicht ernsthaft debattiert. Das nationale Geschäftsdenken überwiegt, ähnlich wie in einigen Kulturbereichen auch. Dass beim Spitzensport es weder um Körperertüchtigung geht, die mit Gesundheit zusammenhängt, noch um Sport im früher sportlichen Sinne, liegt auf der Hand.

Und die vielen nicht spitzensportlichen Sportereignisse, die die Massen begeistern, haben offensichtlich nicht zu sportivem Verhalten geführt, höchstens Stadien gefüllt und Fernsehzuschauer angesprochen. Einige solcher beliebter Sportereignisse beweisen eindrücklich, dass es weder um Fairness und schon gar nicht um Spiel geht, sondern um die Möglichkeiten, atavistischen Kampfgelüsten freien Lauf zu geben, sich auszutoben, brachial rabiat zu werden. Dass dies, neben der Sportförderung, viel Steuergeld verschlingt, um die tobenden Massen im Zaum zu halten, dass riesige Polizeiaufgebote bei Monsterveranstaltungen nötig sind, nicht, um den Verkehr zu regeln, sondern um Rowdies und Schlägertrupps von Gewalttaten abzuhalten bzw. diese unter zumindest geringer Kontrolle zu halten, wird als normal hingenommen. Weshalb?

Hier wird gelogen und sich etwas vorgemacht. Hier machen Breiten- wie Spitzensportler gemeine Sache mit etwas, das mit Sport nichts zu tun hat, außer wir wollen diese Fehlentwicklung inklusive der Förderung asozialen Verhaltens hinnehmen und als ‘sportlich’ definieren.

Der Sport leistet weder eine Völkerverständigung, noch eine Spielbefriedigung. Er ist verbissener Kampf und hartes Geschäft. Diese bedürfen keiner Förderung.

Die meisten Schüler brauchen mehr Bewegung. Die könnte man aber leicht und billig, nämlich ohne einen Cent, selbstbewegend sich leisten. Auch hier wird die Schule als Pflichtbeweger angesprochen. Wie wäre es, wenn einmal die geistige Bewegung ins Auge gefasst würde? Couch potatoes bewegen sich nicht nur körperlich nicht, sondern vor allem geistig nicht. Vielleicht hat DAS etwas mit dem Nichtsport zu tun und dem pervertierten Spitzensport? Wenige, hoch bezahlt, für viele, die zuschauen? Und Funktionäre, die ihre Machtspielchen treiben und gut verdienen. Keine gesunde Basis, sondern Funktionärskultur.