Verlorene Generation

/ Haimo L. Handl

Die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen unter 25 Jahren kletterte in Griechenland und Spanien über 50%, das heißt, jeder zweite dieser Jugendlichen ist arbeitslos. Enorm die Zahlen jugendlicher Arbeitsloser auch in Italien (36,2%), wo jeder dritte keine Arbeit findet, auch wenn er eine akademische Ausbildung hat, ebenso in Portugal (36,4%). In Österreich liegt sie für die 15-24 Jährigen bei 8,3%, in Deutschland bei 7,9%. Einige andere Länder melden sich schon an mit Katastrophenmeldungen; Frankreich hat jetzt schon eine Jugendarbeitslosigkeit von 22,7% und Finnland, das Musterland mit Potential, wie es genannt wird, rangiert mit 18,6% auch oben.

Wir erinnern uns der Sprüche, dass Bildung den Weg zum erfolgreichen Beruf eröffne, dass Wissen Wert habe usw. usf. Schön wär’s. Stimmt aber nicht. Zumindest nicht für die Riesenarmee arbeitsloser Jugendlicher in Europa, vor allem in den südlichen Mitgliedsstaaten der Union. Das erzeugt sogenannten ‘Erklärungsnotstand’. Wenn die bittere Realität auch die best Ausgebildeten ohne Arbeit lässt, wird die Zukunft düster und werden die PISA-Studien zum Zynismus.

Offensichtlich wirken andere Faktoren, dass in jenen Ländern, die in PISA-Studien nicht so gut abschnitten, wesentlich mehr Jugendliche Arbeit finden. Neben Deutschland ist auch in Österreich die Arbeitslosenrate für Jugendliche vergleichsweise niedrig. Just diese beiden Länder werden permanent wegen ihres ungerechten, veralteten dualen Bildungssystem gescholten. Jetzt sollen hier arbeitslose Fachkräfte aus Griechenland und Spanien Arbeit finden.

Zwischen Theorie und Praxis liegen Welten. Nicht, dass unsere Bildungseinrichtungen keine Reformen brauchten. Aber der konkrete Beweis in vielen EU-Ländern, vor allem den südlichen, dass trotz hoher Bildung keine Arbeit zu finden ist, wird es den Propagandisten der Gleichheitsverschulung nach gewissen theoretischen Vorgaben schwer machen. Ganz offensichtlich brauchen die Menschen in den Bankrotteurstaaten Arbeit, richtige, bezahlte. Das gilt besonders für die Jungen, die langsam verzweifeln. Da braut sich ein Sturm zusammen, der, wenn er losbricht, sicher mehr Schaden anrichten wird, als die Geldflüsse an die misswirtschaftenden Banken und ihre abzockenden Manager uns kosten.

In der Euro-Zone beträgt die allgemeine Arbeitslosenrate 11,1%, in allen 27 EU-Ländern 10.3%. Die Länder, wo die Quote über 10% liegt, sind: Spanien 24,6%, Griechenland 21,9%, (Werte März), Portugal 15,2%, Kroatien 15,%, Irland 14,6%, Litauen 13,7%, Slowakei 13,6%, Bulgarien 12,2%, Ungarn 10,9%, Zypern 10,8%, Italien 10,1%, Frankreich 10,1% Die Länder mit den niedersten Sätzen sind: Österreich 4,1%, Niederlande 5,1%, Luxemburg 5,4% und Deutschland 5,6%. (Die Werte stellen die harmonisierte, saisonbereinigte Arbeitslosenquote für Mai 2012 dar, wie von Eurostat publiziert.)

In einigen Meldungen heißt es, zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit müssten sofort 80 Milliarden Euro verteilt werden. Niemand sagt, woher dieses Geld stammen soll, aber auch nicht, wie es fruchtbringend zu verwenden wäre. In der Zwischenzeit telefonieren junge Akademiker in Call Centers, um wenigstens ein paar Euros zu verdienen, während andere die letzten Cents zusammenkratzen für Alkohol und Drogen, um sich in dieser Tristesse zu betäuben.

In der Finanz- und Bankszene wird derweil weiter systematisch erfolgreich operiert; die Steuermittel zur IHRER Rettung sind zugesagt. Ein Novum stellt der Verzicht des scheidenden Vorstandsvorsitzenden von Barclays, Bob Diamond, dar, der auf alle noch offenen Boni verzichtet, immerhin eine Summe von ca. 20 Millionen Pound Sterling. Er meinte, diese ‘Geste’ solle helfen, die Libor-Manipulationskrise besser zu meistern. Aber sein Weggang wegen der Zinsmanipulationen wird ihm trotzdem mit einem ‘goldenen Handschlag’ vergolten: Als Abfindung erhält er zwei Millionen Pfund. Damit es nicht so weh tut. (Sein Jahresgehalt 2011 betrug 17,7 Millionen Pfund, das sind nach heutigem Kurs 22.410.000,00 Euro, also ein Monatseinkommen von einer Million und achthundertsiebenundsechzigtausendfünfhundert Euro.)