Der PC Reinigungswahn

/ Haimo L. Handl

Die politische Korrektheit treibt seltsame Blüten, nicht nur im Alltagspolitischen, Multikulturellen oder Wirtschaftlichen, sondern auch in den Wissenschaften. Vor lauter Bemühen um Korrektheit fordern immer mehr um die demokratische Freiheit Bemühte Zensur im Namen der Demokratie, wie sie korrekt von ihnen verstanden wird. Eine neue Hatz, eine gut geölte Kampagne läuft immer schneller, immer griffiger. Der ‘freie’ Austausch scheint zu gefährlich, zu gefährdend - er soll unterbunden werden, am Besten durch Präventivmaßnahmen, wo diese nicht möglich sind, durch nachträgliche Zensur und Verurteilung von inkorrekten, unliebsamen Abweichlern.

Das derart gereinigte Bild der Korrektheit kann demnach eigentlich keine Kontroversen mehr kennen, außer solchen innerhalb eines approbierten, akzeptierten Rahmens. Alles, was darüber hinaus reicht, wird als verbotswürdig, als böse, als falsch, als gefährlich gebrandmarkt.

Diese Haltung dient aber letztendlich nicht einer breiten und tiefen Auseinandersetzung, sondern dem Ungeist der korrekten Purifikation. Ein Ungeist, wie ihn Diktatoren und ihre Vasallen und Helfershelfer pflegten, die keine Wahrheit außer ihrer eigenen als gültig anerkannten bzw. wie ihn Kirchen übten und in einigen Regionen immer noch üben gegen Ungläubige, Häretiker, Abtrünnige, Verräter, Leugner, Fälscher usw.

Das Anliegen der Korrekten kippt ins Gegenteil dessen, was sie vielleicht anvisierten. Meinungsvielfalt selbst wird zum Problem. Aber dass Zensur und Hatz auf ‘Abweichler’ zur Übung wird, löst weder das Problem, noch verschafft es ‘der’ Wahrheit Stärke. Im Gegenteil. Rufe nach Zensur oder, was bald folgen wird, Berufsverbot und, wo möglich, Gerichtsverfahren und Inhaftierung, erinnern nicht nur an die dunklen Seiten vergangener Geschichte, sondern SIND dunkle Aspekte eines neuen Geistesterrors, dem, wenn keine Änderung eintritt, der konkrete folgt.

Das ‘Entsorgungsdenken’ der Reiniger wurde modisch. Ein ‘aufrechter’ Künstler will X Tausende von Buchexemplaren des verhassten Rassisten Sarrazin ‘entsorgen’, sozusagen als Ersatz für die bewährte Bücherverbrennung, viele Historiker intervenieren bei einem Verlag, um die Publikation der deutschen Übersetzung der Trotzki-Biografie von Robert Service zu verhindern (darunter immerhin so bekannte Namen wie Bernhard Bayerlein, Helmut Dahmer, Heiko Haumann, Andrea Hurton, Mario Kessler, Oskar Negt, Oliver Rathkolb, Hans Schafranek, Peter Steinbach und Hermann Weber), Kreationisten wollen Bibliotheken reinigen von Darwins Teufelswerk, besorgte Eltern und Elternvertreterorganisationen laufen Sturm gegen gewisse Märchenpublikationen, weil sie böse verbildeten, alerte Antirassisten verurteilen das Darstellen Farbiger durch Weiße usw. usf.

Was wird morgen gefordert? Ein neuer, verbindlicher Index, was veröffentlicht werden darf? Neue Vorschriften, wie das Kulturprogramm gestaltet werden muß, damit es die Realgesellschaft getreu widerspiegelt? Ein neues Quotensystem, nicht nur nach Gender-Kriterien, sondern auch nach solchen der Herkunft, damit endlich die Migranten adäquat vertreten sind? Wann tauchen Forderungen hinsichtlich der Inhalte auf, wie wir sie von den Diktaten der Nazis kennen, aber auch von den Vertretern des sozialistischen Realismus, die von den Autoren in ihrem Machtbereich präzise einforderten, WIE sie korrekt die glorreiche sozialistische Arbeiterwelt abzubilden bzw. widerzuspiegeln hatten? Ist das nun die ultima ratio der braven, wackeren Puristen, politisch korrekten Reiniger?

Das alles klingt nach Ozeanien und Newspeak, dem Terrorregime, das George Orwell so eindrücklich in seinem ‘1984’ geschildert hat. Wir hätten eine andere Utopie verdient!