Untergangsstimmung

/ Haimo L. Handl

Der Untergang ist in. Nicht nur des Abendlandes, der ganzen Welt. Die Massen gefallen sich in düsterer Wehklage, die sie pervers genussvoll inszenieren und konsumieren. Trotz Krise wird konsumiert, was nur geht. Der Blick aufs Unheil ist jedoch getrübt und selbstverlogen.

Denn es ist nicht einfach Schicksal, was viele befürchten, sondern konstruierte Misere, unterstützt von Helfershelfern und solchen, die nur mittun, mitlaufen. Wir erleben eine Spitze des jammernden Mitläufertums einerseits, der ohnmächtigen Widerstände andererseits. Die noch Mächtigen scheinen stärker, bornierter, unbelehrbarer, verbissener in ihrem Festhalten an Pfründen und Profiten.

Nicht mehr wie früher, in den Zeiten der großen Lager des Kalten Krieges, gibt es einen unterscheidbaren politischen Westen vom Osten. Der Kriegswille scheint global, die unbelehrbare Machtsucht, gerade über die ökonomischen Ausbeutungen, unstillbar, in West wie Ost. Die Zerstörungswut, in Nord wie Süd, tut ihr Übriges. Alle machen mit, auch die Armen, die Religiösen, die Eiferer aller Couleurs, die einen im Namen eines Gottes, die andern nach der Marktvernunft oder Ehre und was noch alles vorgeschoben wird.

Die Krise offeriert viele Ausreden. Täter sind Opfer und beklagen sich. Die Grenzen verschwimmen und der inhumane Kampf scheint zum Programm geworden zu sein. Die Raffgier einerseits, die Verschwendung andererseits vereint die Produzenten und Konsumenten. Schuld sind die Anderen.

Gewürzt wird dieses traurige Spektakel mit pseudoreligiösen Beschwörungen, mit Racheschwüren und Terrorakten, von Einzelnen, Sekten, fanatischen Gruppen und Staaten, die längst schon den Staatsterrorismus als effiziente Realpolitik pflegen.

Schaudernd wird von vielen der Mayakalender dumm gedeutet, werden Katastrofenmeldungen genüsslich aufgeplustert, wird der Kitzel verstärkt - man hat ja sonst nicht mehr viel. Alte Feindbilder werden ausgegraben und im Namen des Friedens Krieg gefordert. Wahrlich ein schönes Fest, das die elende Verruchtheit unter Beweis stellt: Lauter Unschuldige, lauter Opfer. Wo sind die Täter?

Tausende Dokumentationen über die Nazis und den Holocaust, Nie wieder Krieg!, und dass wir aus der Geschichte gelernt haben und lernen müssen. Doch sieht so das Lernergebnis aus?

Während jugendliche Redakteure das Volk mit falschen Ratschlägen blöder Horoskope in den Alltag schicken, steigt die Zahl der Verschuldeten, denen die fehlende Erziehung kein Verantwortungsdenken beigebracht hat, ebenso wenig wie den Erfolgreichen, die gerade wegen ihrer Unverantwortlichkeit very successful Karriere machten und machen werden.

Bildungsmisere wird konstatiert. Aber die schlechten Vorbilder strafen die Klagen Lügen: denn die wirklich Erfolgreichen sind ungebildet oder bestenfalls halbgebildet. Sie beweisen, dass es auf Bildung nicht ankommt, sondern auf systemgerechte Energie und Kontakte. Und Skrupellosigkeit, die dem deregulierten Markt entspricht. Wer draufgeht, ist selber schuld. Aber die Gleichheit ist nur eine scheinbare, oberflächliche. Trotz aller Gleichheitsbeschwörungen sind viele, viele gleicher als gleich, sind, wie in der Animal Farm, einige Schweine besondere.

Die Schafe der Herde lassen sich das sogar als Unterhaltungsprogramm vorsetzen, zahlen noch dafür und klatschen dazu. Denn sie wissen, was sie tun. Morgen ist es vielleicht vorbei, also genießen wir noch, solange es geht.

Im Kontrast zu den verlogenen Slogans der ‘stillen Zeit’ werden leise Stimmen schrill übertönt. Aber, wer will, kann hören - könnte hören.