Österreichische Semiotik

/ Haimo L. Handl

Kurz vor dem Insiderwissensprozess gegen OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer hat der Unabhängige Verwaltungssenat seine Berufung gegen eine Strafe der Finanzmarktaufsicht wegen Marktmanipulation abgewiesen, indem der UVS es als erwiesen ansieht, dass die OMV zum Zeitpunkt eines Interviews, das Ruttenstorfer am 18.3.2009 gegeben hat, und in welchem er versicherte, dass die OMV ihre Anteile an der MOL heuer [= 2009] behalten werde, bereits von der Absicht wusste zu verkaufen, was auch eine Woche später geschah. Er habe damit ‘falsche Signale für das Börsepublikum’ gegeben. Die OMV will sich berufend an den Verwaltungsgerichtshof wenden.

Im Insiderprozess wurde Ruttenstorfer jedoch freigesprochen. Die Richterin Claudia Moravec-Loidolt sprach richtend Recht: ‘Das war nicht der klassische Fall des Insiderhandels’. Objektiv seien zwar die Gründe für den Insiderhandel gegeben, aber Ruttenstorfer habe nicht die Absicht gehabt sich zu bereichern, er habe nur aufgrund des Vergütungsprogramms der OMV die Aktien gekauft, ‘Er hätte auch ohne dieses Wissen so gehandelt’. Zudem müsse man sich fragen, ob man sich überhaupt bereichern könne, da die erworbenen Anteile ja einer mehrjährigen Behaltefrist unterliegen. Gegen den Freispruch meldete die Staatsanwaltschaft Berufung an.

Die feinfühlige, präzise Qualifizierung von Wissen, Insiderwissen und Intentionen ist bemerkenswert. Unsere Richterinnen beweisen neue Qualitäten und tragen wesentlich zur Rechtsqualität und Rechtsgeschichte bei. Endlich werden nicht nur bare Fakten berücksichtigt, sondern Intentionen stärker bewertet. Wissen ist nicht gleich Wissen. Und eigentlich müsste man den Vorwurf des Insiderhandels überhaupt streichen, wenn für den Kauf die Behaltefrist gilt. Weil dann fällt ja der Aspekt der Bereicherung bzw. des Vorteils durch sogenanntes Insiderwissen weg, nicht?

Mich erinnerte das unwillkürlich an die feine Unterscheidung von Markieren, Vorgeben, Darstellen und Tun. Vögeln und Ficken. Sie wundern sich? Nun, wie in der Josefine Mutzenbacher nachzulesen ist, besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Arbeit und Vergnügen, zwischen Markieren und Tun. In der schönen Szene mit dem Fotografen unterscheidet dieser, ob seine Frau in einer sexuellen Szene, die er aufs Foto bannt, echt fickt oder nur markiert:

‘Der Mann sprang herzu und hieb ihr eins über das Gesäß, dass es nur so klatschte. ‚Du vögelst ja, du Luder …’ schrie er sie an, ‚aber mich betrügst du nicht …’ ‚Das ist auch gevögelt …’ antwortete sie gereizt, ‚sobald er nur drinsteckt … ist es gevögelt …!’ ‚Nein’, ereiferte er sich, ‚wie oft habe ich dir das schon erklärt … dass wir nur Stellungen … das nennt man nur markieren. Markieren ist gestattet … aber nie werde ich erlauben, dass meine Frau sich von einem anderen vögeln lässt.’’

Der feine Unterschied, der wesentliche, ist die Intention. Also muss das Gericht nur diese adäquat, das heißt gerecht, bewerten um zu einem gerechten Richtspruch zu gelangen. Je gebildeter, je wissender, desto feinsinniger kann Wissen, erst recht Insiderwissen, bewertet und berichtet, gerichtet werden.

Der OMV-Chef habe nicht sein objektiv vorhandenes Insiderwissen ausgenutzt, sondern nur das Vorstands-Vergütungsprogramm, sagt die Richterin. Der Staatsanwalt fragt, warum er ausgerechnet am 23.3.2009 die Aktien gekauft habe. ‘Ich wollte aber mit gutem Beispiel vorangehen.’ antwortet Ruttenstorfer. Doch dieses gute Beispiel hat die FMA als Falschsignal an das Börsepublikum bewertet. Da kenne sich einer aus. Dankenswerterweise haben wir Richterinnen, die uns das abnehmen. Zwischen einem Signal, das ein richtiges und ein falsches zugleich sein kann (hängt ja nur vom Wissen ab und wer mit welchem Wissen wo steht) und dem Wissen, innen und außen, inside and outside, liegen Welten. Und der Nachweis gewusst zu haben, reicht nicht. Es kommt nicht nur auf das objektive Wissen an, sondern die subjektive Nutzung, die - nach ihrer Intention - bestimmt, ob dieses Wissen genutzt wird, und wenn ja, wie. Alles klar?