Konsumverzicht?

/ Haimo L. Handl

Die Weihnachtszeit ist Hochzeit fürs Geschäft, für den Konsum. Kein Tag, an dem nicht Erfolgsmeldungen beruhigen und weiter antreiben: Die Konsumenten konsumieren wieder mehr, es geht aufwärts und vorwärts. Die Österreicher haben Geld und geben es aus.

Klingt doch prima, nicht? Die Werbung bläut uns ein, Weihnachten sei besinnlich, ruhig und friedlich, ein Fest für die Familie und Liebe. Aus lauter Liebe soll man konsumieren und schenken. Und viele folgen dem Ruf, fühlen sich wohl, indem sie Geld ausgeben und Geschenke verteilen. An Verwandte und Freunde, an sich selbst. Man gönne sich ja sonst nichts, heißt es oft. Und, wenn man nichts täte, wie stünde man da? Als armer Hund, als Ignorant, als Asozialer. Mitmachen im Konsum als Sozialleistung! Wer kauft, ist sozial. Wer spart, ist nicht nur knauserig, sondern geizig. Obwohl Geiz geil sei, wird er in diesem Falle doch nicht geschätzt. Die Wirtschaft ist auf Verschwendung aufgebaut und floriert nur, wenn verschwendet wird.

Gemächlichen Schrittes in der Menge der gestressten Weihnachtseinkäufer in einer belebten Straße frage ich mich, wie das Bild aussähe, wenn viele sich nicht dem Konsumrausch ergäben. Nicht aus Geiz, sondern aus Vernunft. Die Verluste für den Handel wären besorgniserregend. Aufrufe, ja Beschwörungen wären zu vernehmen, sich doch nicht zurückzuhalten. Ich kann mir gut vorstellen, dass in naher Zukunft Sparen als Untugend, als Asozialität gebrandmarkt werden wird. Wenn nämlich viele oder gar alle sparten, überlegt ihr Geld ausgäben, wäre die Verschwendungswirtschaft am Ende. Und dann wackelten Arbeitsplätze, gingen viele Lichter aus.

Also werden neben der gut funktionierenden Werbung gezielte Kampagnen gestartet werden, die den Sparer als Verweigerer, als Gesellschaftsfeind abstempeln, der aktiv zum Verlust von Arbeitsplätzen beiträgt.

Ähnlich wie mit dem Transferkonto könnte man eine spezielle Datei einrichten die belegt, wie viel jeder für den Konsum ausgibt. Abweichler, die das errechnete Soll nicht aufbringen, würden zur Kasse gebeten, müssten eine Sondersteuer zahlen. Eine Zollgebühr für Konsumverweigerung. Denn sie schaden der Verschwendungswirtschaft. Und wenn’s der Wirtschaft schlecht geht, geht’s uns allen schlecht. Also muss man die asozialen Übeltäter überführen, bestrafen. Nur so kann Prosperität und Fortschritt erreicht und gewährleistet werden.

Auch jene, die versuchen ihre Schulden zu mindern bzw. erst gar keine Privatschulden anhäufen, werden an die Kandare genommen: Sie schädigen die Banken, nehmen ihnen das bitter notwendige Geschäft weg, verhindern den gesunden Kreislauf unserer Wirtschaft. Schuldenmachen gehört dazu! Wer sich da raushält, verhält sich abweichend, abnormal, gefährlich.

Leute, die nicht verschwenderisch konsumieren, keine Schulden haben, sind auffällig. Sie pflegen eine Art Unabhängigkeit, die systemgefährdend ist. Sie geben nichts ab, sie nehmen am Verschuldungskreislauf nicht teil, sie boykottieren die Verschwendung. Sie sind außerhalb der Gemeinschaft. Solche Elemente muss man aufspüren, an den Pranger stellen, bestrafen.

Die Medien, öffentlich-rechtliche und private, müssen besser, breiter, effizienter für ihre Konsumverschwendungserziehung ausgerüstet und unterstützt werden: mehr Presseförderung, mehr Einbindung dieser Programme in den Schulunterricht. Spezielle Programme für Kindergärten und Vorschulen! Niemand soll draußen bleiben: wir sind alle im selben Boot. Nicht mitmachen gilt nicht!

Wir erreichen die notwendige Gleichheit, die Grundlage unseres Rechtsstaates, nur durch gleich intensive Teilnahme am Konsum. Konsumverweigerung darf nicht mehr als Kavaliersdelikt abgetan werden, sondern muss als kriminelles, asoziales Verhalten bestraft werden.

O du fröhliche…! Ja, wir machen’s immer besser. Wir kaufen und konsumieren und arbeiten um zu kaufen und zu konsumieren. So ist es recht. Da kommt man nicht auf blöde Gedanken und bewährt sich als Gutmensch. Sozial eben. Denn alle sollen ja etwas davon haben in unserer ruhigen, friedlichen, lieblichen Gesellschaft. Schöne Weihnacht!