Kunstwelten

/ Haimo L. Handl

Der eigentliche Wert der Kunst zeigt sich in der Krise. In der des Marktes. Wenn es plötzlich in der freien Marktwirtschaft überraschend ungeplant zu Turbulenzen kommt und es nicht mehr selbstverständlich ist, dass Sammler und Käufer ihr Geld wie gewohnt und antizipiert anlegen. Weil sie Verluste erlitten haben, weil gewisses Vertrauen erschüttert wurde oder ganz profan, weil einige pleite gingen. Das Faszinierende dabei ist, dass unfreie Gesellschaften freie Märkte haben und profitabelste Geschäfte oft durch gesellschaftliche Unfreiheit (Ausbeutung, Zensur etc.) ermöglicht bzw. unterstützt werden. Das zeigt sich auch im Kunstmarkt.

Trotz schlimmsten weltweiten Finanzdebakels gibt es nur geringe Einbussen, vermelden die bekannten Auktionshäuser für Kunst und weltweit agierenden Kunsthändler und Galerien. Die Kiaf (Korean International Art Fair) vom September gab zwar heuer Anlass zur Kritik und enttäuschte. Aber die ShContemporary (Shanghai Messe für zeitgenössische Kunst) war trotz äusserer Wirtschaftsprobleme und innerer gesellschaftlicher ein Erfolg. Kunst zeigt sich immun gegen soziale, gesellschaftliche Bedingungen und Bedürfnisse. Ähnlich dem Sport werden Rekorde erreicht, Geschäfte gemacht, und nicht nach artfremden, also aussersportlichen Werten gefragt und bewertet. Die Künstler, die am Markt viel gelten, sind die, deren Werke Höchstpreise einbringen. Die kümmern sich nicht um Ethik und Moral oder schmutzige Politik. Das wäre geschäftsstörend. Das wissen die Inländer in diesen Ländern und vor allem die Ausländer. Das freie Kapital regiert. Man weiss, dass fast ein Drittel des weltweiten Nettovermögens im asiatisch-pazifischen Raum platziert ist und Fernost den Hoffnungsmarkt darstellt. Künstler, die das nicht kapieren, bleiben draussen. Jene, die über ihre Agenturen ihre Preise hochzutreiben vermögen, gewinnen und stärken den Kreis der Profiteure.

Aus diesem Geist, und als Ausdruck der zukunftsorientierten Moderne, werden Formel-1-Rennplätze gekürt und bewertet, spezielle Events wie das Nachtstadtrennen in Singapur gefeiert und in allen Nachrichten weltweit verbreitet. Singapur hat heuer auch, wie Hongkong, eine neue Kunstmesse geöffnet und konkurriert nun mit Shanghai, Beijing, Seoul und Delhi am internationalen Kunstmarkt.

Geld stinkt nicht. Und Kunst, die eine andere Form von Geld ist, auch nicht.

Gestern war in vielen Städten Österreichs die „Lange Nacht der Museen“. Tausende nützten die Gelegenheit, die ihnen anscheinend sonst verwehrt bleibt, für Besuche von Museen und Galerien. Es geht dabei weniger ums Volksbildnerische, als um eine Geschäftsbelebung. Kultur als Event ist anders inszenierbar. Und es geht um die Inszenierung. Die Quantität. Wie viele Besucher? Die hohe Zahl entspricht der hohen Wertschätzung, dem hohen Preis, das heisst, wie bei den Grossen des Geschäfts, dem hohen Profit. Bei den Kleinen, Regionalen, Lokalen ist es halt noch ein bisschen kaschiert. Aber die Eventinszenierung trainiert schon für das eigentliche Geschäft. Dass derweil noch was genuin Kulturelles und Künstlerisches abfällt, ist eine willkommene Begleiterscheinung.