Kunst kraftlos und leer, sagt Frau Wally; wer?

/ Haimo L. Handl

In einer Bundesländerzeitung war kürzlich zu lesen: ‘Kunstexpertin Barbara Wally: ‘Westliche Kunst ist ausgelaugt’.’ Klingt provokant. Noch mehr aufhorchen liess der nächste Satz, dass der Westen Inspiration im Osten klaue und dass die Zukunft der moslemischen Kunst gehöre. Na Mahlzeit!

Wie kann man Inspiration überhaupt stehlen? Ist sie als Eigentum gesichert? Müsste man sie kaufen? Wie eigen ist die genuin selbst produzierte Inspiration? Ist sie eigentlich schon Produkt? Wenn nicht, wie kann sie dann erfasst, gehandelt, verkauft oder - gestohlen werden?

Die grossmundigen Worte stammen von der geschäftsführenden Direktorin Prof. Dr. Barbara Wally der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg, einer, wie es offiziell heisst, ‘betriebsähnlichen Einrichtung des Landes Salzburg’.

Diese Landeseinrichtung unterhält Partnerschaften und Kooperationen mit SEKEM (Belbes, Kairo), Shanghai Jiao Tong Universität, Technische Hochschule Irkutsk (Russland) und Das Zhou B Center, Chicago. Könnte es sein, dass die Kunstexpertise sich aus diesen Naheverhältnissen erklärt? Hausmachtpolitik im kunstgebeutelten Salzburg, um den ‘international flair’ weiter hoch zu polieren?

In den Salzburger Nachrichten war am 8.8.2007 unter anderem von dieser Expertin zu lesen:

‘Die westliche Kunstszene ist ausgelaugt, der Westen klaut Inspiration im Moment vom Osten und auch von den moslemischen Künstlern.’ Diese geistige Leere gelte auch etwa für Herbert Brandl, der zur Zeit den Österreich-Pavillon bei der Kunst-Biennale in Venedig bespielt. ‘Es gibt absolut keinen zwingenden Grund, diesen Künstler als Vertreter der österreichischen Kunst zu positionieren. Da machen es sich die Entscheidungsträger schon ziemlich leicht’, so Wally. ‘Wenn man sich hingegen etwa den ägyptischen Pavillon anschaut, entdeckt man deutlich mehr künstlerische Kraft. Ja, ich denke, dass die Kunst aus diesen Ländern in den kommenden Jahren im Westen eine größere Rolle spielen wird.’

Frau Wally teilt aus. Kann sie auch einstecken? Selbst in einer öffentlich finanzierten Einrichtung in einer Stadt die sich fast hurös an die Schickeria schmeisst, ihr eigenes Kunstschulprogramm aufplusternd in modischer Werbesprache verhökert, greift sie Künstler, die ihr nicht passen, frontal an. Und befindet gleich kontinental, ja ideologisch okzidental, die ‘westliche Kunstszene sei ausgelaugt’. Nun, das stimmt sogar zu weiten Teilen. Doch wessen Teil ist Frau Wally und ihr Kunstschule? Wo lebt sie denn? Was arbeitet sie denn? Und ihre Sommerschüler?

Das Geschwätz vom Inspirationsklau mag Ungebildete schaudern. Es sind blöde Floskeln, die keinem Nachdenken standhalten. Und dass gerade muslimische Kunst uns gegenwärtig etwas verspreche, was die Frau Wally hier oder sonst wo im Westen nicht findet, mag ja sein. Nur wird das nicht jene Kunst sein, die Aufgeklärte schätzen. Um welche Kunst geht es, kann es gehen?

Nimmt man an, dass Knechtschaft, religiöser Fundamentalismus, Diktatur und extreme Ungleichheit nicht gerade der fruchtige Nährboden für Kunst und Kultur sind, verwundert die Profetie und Expertise noch mehr. Klingt da die lamentierende, dümmlich-reaktionäre Kulturkritikersicht durch, die konservativ Leiden und Abringen als Dennoch- und Trotzdemleistung überproportional hervorhebt? Und dies zudem vom schönen Salzburger Pflaster aus, vom Direktionssessel einer Salzburger ‘betriebsähnlichen Einrichtung’!

Oder drapiert sie vermeintlich smart Kunstpolitik mit modischen Floskeln? Hat sie Projekte lanciert, die sie nächstens verteidigen muss? Will sie mehr Geld vom Land und Bund für ihre heldenhafte Tätigkeit? Gehen ihre Sommerkurse etwas unter im Trubel der Festspielstadt Salzburg?

Frau Dr. Wally ist anscheinend in ‘guter Gesellschaft’. Im Spectrum der PRESSE findet sich am 11.8.2007 ein Beitrag von Museumsdirektor Peter Noever ‘Trotzdem!', worin er ebenfalls lamentiert. Ausführlicher und besser argumentierend als seine Salzburger Kollegin, dennoch wenig plausibel und gar nicht überzeugend, voller Widersprüche. Aber das ist ein anderes Kapitel, auf das ich später eingehen werde.