Börne, Broder und deutsche Unkultur

/ Haimo L. Handl

Nun hat Henryk M. Broder den Ludwig-Börne-Preis 2007 erhalten (Verleihung am Sonntag, 24. Juni, in der Frankfurter Paulskirche), zugelobt vom einzigen Juror, dem Focus-Herausgeber und Konservativen Helmut Markwort. Der jährliche Preis wird seit 1993 verliehen und immer von nur einem Juror jemandem Preiswürdigen zugestanden.

Broder ist nicht nur für Markwort preiswürdig, sondern durch ihn für das von Broder früher verspottete »Establishment«, dem Mainstream, worin er selbst durch seine hysterische politische Korrektheit schlussendlich ankam und worin er als fleissiger Hecht hechtet und schnappt. Broder, der seine Aufgabe als Hetzer und Kläffer zur vollen Zufriedenheit der rechten, konservativen, nationalistischen, westverschworenen Islamhasser erfüllt, erhält mit dem Börne-Preis eine weitere Auszeichnung, die den Preis einmal, wenn die Macht und der Einfluss der massgebenden Politkaste geschwunden sein wird, lädieren wird.

Gegenwärtig freut sich die Mehrheit, die sich gerne als aufrechte, kassandrarufende Minderheit sieht. Ganz wenig Kritik kommt, und wenn, dann gefiltert. Broder ist anerkannt, weil er Bütteldienste erfüllt und dabei noch Jude ist. Er hilft, den irrationalen, vorurteiligen, stereotypen Islamhass zu füttern und warm zu halten, er liefert Pseudoargumente, die die Massenmedien für die Kurzdenker als Argumente verkaufen und passt so richtig ins Szenario der kriegsgeilen, ressentimentgeladenen Spiesser, die endlich mal wieder rabiat werden möchten.

Broder, der früher, in jüngeren Jahren, als Radikaloppositioneller, ähnlich wie Daniel Cohn-Bendit, im linken Spektrum die bourgeoise Gesellschaft kritisierte, ist heute ein Teil just jener Gesellschaft. Das politische Klima hat sich so verengt und illiberal, konservativ versteift, dass eine Wochenzeitung wie die ZEIT, die früher als liberal galt, heute mit ihrem Herausgeber Josef Joffe gemeinsame Sache mit dem Hetzer macht.

Heine, der Kontrahent von Börne, würde speien ob dieser Entwicklung, und nicht nur deswegen, weil Börnes Namen für diesen Preis gefleddert wird.

»Die Achse des Guten«, das online-Organ der verschworenen Gemeinschaft von Gutmenschlern und Hetzern, ist notorisch für seine Tiraden und Hasskampagnen. Die Ironie, dass ein deutscher Jude, der nicht müde wurde, gegen jeden leisen Hauch von vermeintlichem Antisemitismus zu Felde zu ziehen, die gleichen Mechanismen von Vorurteilshaltungen und –handlungen setzt, die goutiert, begrüsst und unterstützt werden, weil sie sich gegen anerkannte »Feinde« richten, gegen Moslems und Terroristen bzw. gegen Islamisten, die man sich angewöhnt hat, nur noch als Terroristen, als Verbrecher zu sehen, wird von ganz wenigen festgestellt und interpretiert. Broder ist einer des Establishments geworden, der die politisch Korrekten, Leute wie Markwort & Co. repräsentiert und zufrieden stellt.

Broders antiemanzipatorisches, Hass und Vorurteile schürendes Wirken auszupreisen, ist mehr als peinlich, ist ein Beweis von Kollaboration mit dem Ungeist. Diese Beschmutzung hat Börne nicht verdient. Diese Beleidigung hat jener Teil der Gesellschaft, der noch nicht schier gleichgeschaltet »gutmenschlerisch« mithetzt, erst recht nicht verdient. Die Aufklärung ist schon lange begraben fast tot. Hier erfolgt mit Broder und dieser Auszeichnung ein weiterer Keulenschlag gegen sie. Die Antiaufklärung triumphiert.

p.s.: Anlässlich verschiedener Sendungen zum Ableben Kurt Waldheims wurde auch Alfred Hrdlicka und sein berühmtes Holzpferd erwähnt. Es soll nicht vergessen werden, dass H. M. Broder vor Jahren eine Kampagne entfesselte, die über Nacht Hrdlicka zum Antisemiten stempelte, den die politisch korrekten Gutmenschler sofort, ohne Prüfung, fallen liessen wie eine heisse Kartoffel; Hrdlicka wurde (fast) »fertig gemacht« (ein bedeutsamer Terminus in unserer Sprache!) von gutmeinenden, korrekten Mitmenschen. Der Terror der Tugendhaften hat sich seitdem verstärkt.