Hahnebüchnerei *

/ Haimo L. Handl

*Der Titel »Hahnebüchnerei« bedarf vielleicht der Erörterung. Sie wird, ordentlich zitiert, am Schluss der Kolumne gegeben.

Der Salzburger Medienwissenschaftler Stefan Weber wirft dem Wissenschaftsminister vor, in seiner Dissertation nicht ordentlich zitiert zu haben bzw. äussert den begründeten Verdacht des Plagiierens in ausgewiesenen Textstellen, wiewohl er sich, aus rechtlichen Gründen, noch der wörtlichen Beschuldigung enthält, obwohl er Belege liefert.

Die Sache selbst und wie auf sie reagiert wurde seitens des Dr. Hahn als auch anderer, vor allem des ehemaligen Doktorvaters und jetzigen Dekans Prof. Kampits, illustriert einmal mehr die niedergekommene Kultur unseres Landes. Damit will ich noch etwas zurückhaltend die Art und Weise bezeichnen, in der auf Vorwürfe reagiert wird und die Art der »Verteidigung«.

Der jetzige Wissenschaftsminister betont, er habe ordentlich zitiert. Prof. Kampits räumt ein, dass vielleicht eine gewisse Schlampigkeit im Zitieren ersehen werden könnte, betont aber ausdrücklich die Korrektheit der Arbeit. Er führt sogar aus, dass damals, 1987, die Zitiergewohnheiten noch nicht so rigide gewesen seien wie heute. Schon das Einrücken eines Absatzes zeige an, dass es sich um ein Zitat handele. Das ist neu und bedürfte einer eigenen Würdigung.

Unabhängig davon wird in den österreichischen Qualitätszeitungen, die sich eines vornehmeren Tons bedienen, eher davon geschrieben, dass die Dissertation des Dr. Hahn »nicht sehr schön« sei (Die Presse, 25.5.07), dass Stefan Weber ein »Plagiatsjäger« sei, womit er fast als pathologischer Jäger eingestuft und eingefärbt wird. Auch der Standard tituliert Weber als »Plagiatsjäger«. In dieser Zeitung findet man auch Kommentare; hier äussert sich der Volksmund. Hier kann man den Abschaum und Absud lesen, der eigentlich zu einem drastischeren Urteil führen müsste, als ich vorher gegeben habe. Auffallend, dass viele Schreiberlinge wütend sind, dass sich wer, ohne Erlaubnis, das Recht nimmt, Dissertationen zu prüfen. Die österreichische Volksseele schäumt immer noch, wenn’s »Oberen« an die Weste geht – zuerst mal unabhängig davon, was an der Sache dran ist.

In alter Manier wird nicht die Nachricht geprüft, sondern der Herold geschlagen, wie früher der Esel, der Sündenbock. Und der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung hat dieses elementare Rüstzeug alter Politik gut gelernt: er verweist in einem Tiefschlag unter die Gürtellinie auf ganz miese, niederträchtige Motive des Plagiatsjägers: Rache für einen nicht erhaltenen Auftrag seitens des BMWF.

Na, das wirkt. Zumindest für einen Grossteil der Bevölkerung. Der Neidkomplex funktioniert, die automatische Verteidigung wirkt fast glaubhaft, zumal der Universitätsdekan ebenfalls betont, dass nur »viel böser Wille« zu so einer queren Einschätzung führen könne. Na also! Die Sache soll sich drehen: nicht Hahn hat irgendwie irgendwas gemacht, sondern der Weber aus Salzburg ist sauer und gemein, rächt sich am ordentlichen Minister und ist voll bösen Willens. Der Inhalt dieser Ansicht liest sich in vielen Kommentaren in der Volkszeitung Standard drastischer, gemeiner, ungeschminkter. Aber in dem gleichen Geist bzw. Ungeist.

Man kann auch lesen, wie einige höhnen, dass Weber sich seiner Sache nicht sicher sei, sonst behauptete er wörtlich das Plagiieren. Dass dieser jedoch vorsichtig sein muss, weil in unserem Land Recht nicht so leicht Recht erhält, weil zwischen Haben, Sein und Bekommen wesentliche Unterschiede gelten, wird als seine Schwäche ausgelegt, anstatt als Makel des Systems, das in vielen Fällen dazu führt, dass viele kuschen und schweigen.

Die Erstreaktionen von Journalisten, Politikern und Professoren zeigen an, dass die Vorsicht leider nötig scheint. Anstatt dass sofort zwei Experten die Sache prüfen oder eine dazu berufene, kompetente Kommission, lässt man das schnelle Wort des Dekans und damaligen Doktorvaters gelten. Vorderhand. Die Sache verdiente eine gründliche Bewertung und entsprechende Reaktionen bzw. Aktionen.

Dass eigentlich niemand der frechen Unterstellung des verdutzten, schwach argumentierenden Ministers, sofort entgegnete, indiziert entweder eine Art von Kollaboration oder zumindest abgestumpfter Mitmacherei: wiad scho so sei… Immer noch werden in Österreich umgekehrt zuerst Kritiker verdächtigt oder gleich für schuldig befunden. Die blöde Rede vom »Plagiatsjäger« vervollständigt sich durch die Bezeichnung »Opfer«. Hier funktioniert ebenfalls die klassische Umkehrung: der verdächtigte Täter ist zuerst einmal das Opfer, das vom böswilligen Jäger gejagt wird. Opfern soll geholfen werden. Täter, hier der Jäger und Verdächtiger, gehören gejagt und erledigt. Das ist die Hahnebüchnerei, die weit über die etwaige des Hahns hinaus geht. Sie betrifft viele andere Hähne und Hühner im österreichischen Stall.


HAHNEBÜCHEN, adj. zum vorigen, vgl. hagebüchen, hagenbüchen sp. 140. namentlich in dem übertragenen sinne streng, grob, in Mitteldeutschland viel gebraucht: ein hahnebüchener kerl; eine hahnebüchene kälte. Bd. 10, Sp. 166

HAHNEBUCHE, HAHNBUCHE, f. carpinus betulus, eine aus hagene-buche, hagenbuche zusammengezogene form. vgl. hagebuche sp. 140.

HAGEBUCHE, HAGENBUCHE, f. carpinus betulus, die weiszbuche, die als junger stamm vorzüglich für die hecke angepflanzt wird, weil sie das kappen besonders gut verträgt. die namen hagebuche, hagbuche und hagenbuche gehen neben einander, letzterer enthält das mit hag dem begriffe nach oft identische hagen gesträuch, zaun, hecke (s. d.); die form hagenbuche erweicht sich vielfach zu hainbuche, hanbuche, hambuche. NEMNICH 2, 895. ahd. hagenbucha carpenus Germania 9, 21; mhd. hagbuoche und hagenbuoche. wb. 1, 280; caprinus arbor hagebucken DIEFENBACH 98b; hagenbuch ornus, carpens voc. inc. theut. h 8b; die zu Aulhausen wonen, haben macht im forst dörr und liegend holz und hanbuchen zu hauwen. weisth. 1, 538; hagebuche sive hainbuche ornus STIELER 257.

HAGEBÜCHEN, HAGENBÜCHEN, adj. zu dem vorigen: mhd. er (ein sattel) was guot hagenbüechîn. Erec 7501; lanc, breit ist ir swinge und ist hagenbüechîn. HAUPT 12, 367; ein hanbuchen knebel. weisth. 2, 30; bair. hagebuechen. SCHM. 2, 163. in substantivem gebrauche, wo es für hagebuchenholz steht:

hir bring ik di husarbeit, du frostige Peter, schüppen un läpel un slew in warmer dönse to klütern maser un schier (glattes) haböiken un spillbom. VOSS Idylle »de winterabend«.

Figürlich heiszt hagebüchen handfest, derb, knorrig, grob, hergenommen von dem knorrigen wuchse der hagebuche: es ist ein hagebüchner kerl! du bist ein hagebüchenes gewächs. AUERBACH barfüszele 60; dann auch steif, schwer zu bewegen: mein kopf war so hagebüchen. franz. kriegssimplic. 1, 12. – In Hessen kannte man hagebüchene gulden, solche von geringerem werte als gewöhnliche. VILMAR idiot. 143. s. hainbüchen.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 16 Bde. [in 32 Teilbänden]. Leipzig: S. Hirzel 1854-1960. – Quellenverzeichnis 1971.

Biografische Angaben in der Parlamentsseite: Dr. Johannes Hahn, Geb.: 02.12.1957, Wien; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, Studium der Philosophie an der Universität Wien (Dr. phil. 1987)

Eintrag im »Porträt« der Seite des Wissenschaftsministeriums: Geboren: 1957 in Wien Verheiratet mit Marina Hahn, ein Sohn (geb. 1988) Ausbildung: Studium der Philosophie; Promotion 1987 »Perspektiven der Philosophie heute - dargestellt am Phänomen Stadt«

Anmerkung 1: Die Internetseite des BMWF ist nicht nur ordentlich, wie die des Parlaments, sondern auch modern. In der Parlamentsseite wird auch ein Rechtswissenschaftsstudium angeführt (ohne Abschluss), das in der Wissenschaftsministeriumsseite nicht mehr erwähnt wird.

Anmerkung 2: Der Titel wurde gewählt, um die rhetorische Verknüpfung des Namens »Hahn« mit dem Begriff »hahnebüchen«, der hier substantiviert wurde, herzustellen und somit, in Form einer verkürzten Zuspitzung, ähnlich der Vergröberung einer Karikatur, einen komplexen Sachverhalt überspitzt anzudeuten.